Am 22. Mai 2022 war Pater Dr. Jörg Alt SJ beim Prot. Diakonissenvereins Frankenthal e.V. zu Gast. Im Dathenushaus sprach er zum Thema »Einfach anfangen – für eine gerechte und nachhaltige Welt«. In Frankenthal aufgewachsen, war Dr. Alt zuletzt durch eine Aktion zivilen Ungehorsams bekannt geworden. Er holte noch essbare Lebensmittel aus einem Supermarkt-Abfallcontainer und verteilte sie – eine Aktion, die mit einem Strafverfahren und der Aussicht auf Gefängnis endete.
Einsatz gegen Ungerechtigkeit und Klimakatastrophe
Pater Alt ist seit vierzig Jahren für die Jesuiten in der Forschung und in der Advocacy, in der Anwaltschaft für unter ungerechten Strukturen Leidende, aktiv. Er kümmert sich um Flüchtlinge und hat Arbeiten zu unserem ungerechten Steuersystem veröffentlicht. Knapp gescheitert ist sein Einsatz für eine Finanztransaktionssteuer, die er als »Steuer gegen die Armut« versteht (mehr unter www.joergalt.de).
Vor der letzten Bundestagswahl hat er sechs junge Leute begleitet, die in den Hungerstreik gegangen sind, um ein entschiedenes Handeln gegen die Klimakatastrophe zu erwirken. Seitdem ist er im Austausch mit den jungen Leuten, darunter den Aktiven der »Letzten Generation« (www.letztegeneration.de), die mit der Blockade von Autobahnen oder Banken gegen der »fossilen Wahnsinn« eintreten.
Die Begegnungen haben zu seinen beiden Büchern über die Klimakatastrophe geführt: »Handelt! Ein Appell an Christen und Kirchen, die Zukunft zu retten« und »Einfach anfangen! Bausteine für eine gerechtere und nachhaltigere Welt«, beide erschienen im Vier-Türme-Verlag. Ein weiteres Buch über den zivilen Ungehorsam erscheint diesen August. In den Büchern legt Jörg Alt den Beitrag der Christen angesichts der Klimakatastrophe dar.
Die Welt auf der Kippe
Pater Alt verglich unsere Situation nach dem Klimaforscher Professor Hans Joachim Schellnhuber mit einem leckgeschlagenen Schiff. Viele Krisen beschäftigen uns derzeit: Corona, Ukraine, Ungerechtigkeit, Gefährdung der Demokratie, Sinnkrise, … – von all diesen Krisen, so Alt, führt die Umweltkrise dazu, dass das Schiff untergeht. Immer schneller geraten wir an Kipppunkte wie das Auftauen der Permafrostzone und das Freisetzen des klimaschädlichen Methans in Sibirien, die das Aufheizen der Erde weiter beschleunigen.
Die Erde, so Alt, hat sich wahrscheinlich bereits 2026 auf 1,5 Grad erwärmt – nur noch vier Jahre bleiben uns, um die Erderwärmung auf das Ziel des Pariser Abkommens zu begrenzen. Mit dem, was derzeit unternommen wird, müssen wir uns auf eine Erwärmung der Erde auf 3,1 Grad einstellen – und auf eine Welt, auf der viele Menschen nicht mehr leben können.
Dementsprechend steht die Weltuntergangsuhr (www.weltuntergangsuhr.com) derzeit auf 100 Sekunden vor Mitternacht. Gründe dafür sind die Hochrüstung, der Verlust der Artenvielfalt und die Klimakatastrophe und die Demokratie, die angesichts der Klimakatastrophe nicht funktioniert.
Unendliches Wirtschaftswachstum geht nicht
Unser aktuelles System in Wirtschaft und Gesellschaft, so Jörg Alt, muss sich grundlegend ändern, denn es basiert auf unendlichem Wirtschaftswachstum. Das ist aber auf einer begrenzten Erde nicht möglich. Notwendig sei, unser Denken von der Wachstumsideologie zu dekolonisieren. Darüber hinaus, so Alt, können wir uns den Luxus nicht mehr erlauben, wir könnten ein Problem nach dem anderen lösen.
Beim notwendigen Kultur- und Wertewandel sind die Deutschen wohl weiter als ihre Politiker*innen: Bei der Frage, was für sie ein glückliches und zufriedenes Leben ausmacht, steht für sie das menschliche Zusammenleben an der ersten Stelle – und das ist nicht kaufbar. In Ländern, auf denen die Bürger*innen gehört werden würden, sei auch die Ungerechtigkeit geringer.
Mehrheiten werden nicht zur Kenntnis genommen
Es zeigt sich, dass die Bürger*innen weiter gehen als die Politiker*innen, wenn sie gefragt werden. Der Bürgerrat Klima (https://buergerrat-klima.de), 160 zufällig ausgewählte Menschen, verabschiedete über einhundert Leitlinien und Empfehlungen. Nach ihm müssen neue Gesetze grundsätzlich dem 1,5-Grad-Klimaziel entsprechen. Empfohlen hat der Bürgerrat Klima auch ein generelles Tempolimit, das Verkehrsminister Volker Wissing mit dem Argument, es gebe nicht genügend Verkehrsschilder, abgeblockt hat.
Neu an unserer Situation ist die Beteiligung an kreativem Protest und zivilem Ungehorsam, um für einen schonenderen Umgang mit unseren Ressourcen einzutreten. Ein Beispiel dafür sind Fridays for Future. Wo Menschen alles andere versucht haben und es nicht geholfen hat, blockieren sie Autobahnen wie die Gruppe »Letzte Generation« (https://letztegeneration.de).
Essen zu retten, wie es Pater Jörg Alt zuletzt getan hat, folgt italienischen und französischen Vorbildern. Dort gilt Essen als Teil des Gemeinwohls und nicht als Privateigentum – und Essenretten nicht als Straftat.
Es tut sich etwas
Pater Alt erinnerte abschließend an die »Grenzen des Wachstums« von 1972. Der Bericht ist lange ohne Folgen geblieben. Doch in der Gegenwart gibt es hoffnungsvolle Zeichen: In der katholischen Kirche und darüber hinaus war beispielsweise die Enzyklika »Laudato si« von Papst Franziskus von 2015 ein wichtiger Meilenstein. Es tut sich, so sein Ausblick, derzeit mehr als in den dreißig Jahren zuvor.